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Rede zum Haushaltsentwurf 2015 am 12.02.2015

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

sehr verehrte Ratsmitglieder,

liebe Bürgerinnen und Bürger,

Sie, Herr Bürgermeister, hatten bei Amtsantritt sich selbst und der Verwaltung das ehrgeizige Ziel gesetzt, den Haushalt künftig deutlich vor dem Jahresende einzubringen, so dass der bisherige Rhythmus der Vorlage deutlich verkürzt wurde. Daher liegt der Redaktionsstand des aktuellen Haushaltes 2015 gerade einmal acht Monate nach dem letzten verabschiedeten Haushalt aus dem März 2014. Bei unseren Haushaltsberatungen hat sich gezeigt, dass der frühere Abgabetermin nicht zu Lasten der Qualität der Zahlen und der Methodik als solcher gegangen ist, und dafür möchten wir vorab unseren Dank an die Verwaltung und insbesondere an den Kämmerer, Herrn Wiese, aussprechen.

Gleichwohl fühlen wir uns als Fraktion der Bürgergemeinschaft an einer Reihe von Stellen nicht wohl mit den Ergebnissen, die der Haushalt 2015-2018 aufweist, und so sehen wir uns in unseren Befürchtungen zur tendenziell negativen Bilanzentwicklung aus den Haushaltsberatungen der vergangenen Jahre bestätigt.

Schauen wir uns daher kurz die wesentlichen Eckpunkte des Haushaltsplanes bis 2018 an:

  1. Der Schuldenstand wird gemäß der vorliegenden Planung noch in diesem Jahr 2015 bei 33,3 Mio. Euro betragen und erreicht im weiteren Verlauf bis 2018 einen Höchststand von 38,2 Mio. Euro1. Das bedeutet pro Kopf einen Schuldenstand von 3.418 Euro und dürfte im Kreis Soest mittlerweile ein Alleinstellungsmerkmal sein. Jedenfalls wären wir dann in der Pro-Kopf-Verschuldung 2018 höher als die Stadt Werl aktuell, die hier mal durchaus landesweit als Negativ-Referenz gegolten hat.

  2. Wir werden laut Plan in 2015 ein Ergebnisminus von -1,4 Mio. Euro und in 2016 ein Minus von -750T-Euro hinnehmen müssen, bevor wir im Jahr 2017 mit dem Haushaltsausgleich von +/-0 die Trendwende schaffen und in 2018 ein Plus von ca. +500 T-Euro als Gesamtergebnis erzielen werden.

  3. Erstmals in allen bisher von uns seit 2010 besprochenen Haushaltsplanungen sehen wir ab dem Jahr 2017 auch im Zahlungsmittelfluss eine strukturelle Trendwende mit einem Überschuss der laufenden Einzahlungen über die Auszahlungen aus Verwaltungstätigkeit.

Worin liegen die Ursachen für den überraschenden Überschuss? Hier ist im Bereich der Steuern zunächst die Grund- und Gewerbesteuererhöhung zu nennen, die ab 2015 mit jährlich mehr als 445.000 Euro2 in den Planungen enthalten ist. Damit allein wäre Wickede aber immer noch strukturell unterfinanziert und ein Haushaltsausgleich ohne Inanspruchnahme der allgemeinen Rücklage nicht in Sichtweite.

Denn der andere wesentliche Finanzierungsfaktor für Wickede ist die derzeitige Notunterkunft. Die Planwerte der Erträge kommen über den Umweg der erhöhten Einwohnerzahl Wickedes als Zuwendung aus Schlüsselzuweisungen vom Land und betragen für 2016 rund 900 T-Euro, für 2017 und 2018 dann jeweils 1.500.000 Mio. Euro.3

Nach Auskunft der Verwaltung sei es legitim, diese Zahlen aufgrund des nunmehr besseren Einwohnerverteilungsschlüssels für die Landesumlage anzusetzen.

Ergebnisverbessernd kommt auf der Ausgabenseite hinzu, dass der Gemeinde Wickede aufgrund der Notunterkunft keine neuen Asylsuchenden zur dauerhaften Unterbringung mehr zugewiesen werden, was die Aufwendungen im Planungszeitraum um jährlich etwa 50.000 Euro zusätzlich reduziert.4

Nun könnte man auf den ersten Blick meinen, dass bei einer Planung, die in zwei Jahren wieder mehr Einnahmen als Ausgaben verzeichnet, in Wickede finanziell alles in Butter sei.

Wir teilen diese Zuversicht nicht. Wir glauben, dass das Gegenteil eintreffen wird.

Nur mal als Beispiel für die Dimensionen, in denen wir uns hier bewegen:

Der Haushaltsplan geht von einer jährlichen Tilgungsleistung auf unsere Kredite von etwa 740 T-Euro ab 2018 aus.5

Wenn Sie die 38,2 Mio. Euro als voraussichtlichen Schuldenhöchststand in 2018 annehmen, dann dauert die vollumfängliche Rückzahlung unter diesen Planungsbedingungen etwa 50 Jahre bis hin zum Jahr 2068.6 Sollte ich mir demnach vornehmen, die Rückzahlung der Schulden, die u.a. in meiner Zeit als Ratsmitglied gemacht wurden, noch erleben zu wollen, dann feierte ich in dem Jahr der Rückzahlung meinen 100 Geburtstag.

Zu den ordentlichen Erträgen:

Die Verwaltung rechnet, aufgrund der durch die Notunterkunft erhöhten Einwohnerzahl, mit einer Schlüsselzuweisung in Höhe von 1,5 Mio. Euro. Dabei sehen wir die Gefahr, dass der Ansatz der Verwaltung deutlich zu hoch gewählt wurde.7 Der Betrag ist in allen Debatten zur Notunterkunft auch nie zuvor so kommuniziert worden. Allerdings können wir hier und heute auch nicht den Gegenbeweis antreten.

Es gibt aber noch weitere Unwägbarkeiten wie die Höhe der Gewerbesteuereinnahmen, die gemäß den Orientierungsdaten vom Land von einem anhaltend guten Konjunkturverlauf wie in den vergangenen Jahren ausgehen und kontinuierlich über jedes Planjahr mit einem Prozentfaktor beaufschlagt und höher angesetzt werden. Das Vorsichtsprinzip bei der Planung, etwa durch politisch bedingte konjunkturelle Einbrüche wie z.Bsp. aus den Sanktionen gegenüber Russland scheinen in der Erwartungshaltung keine Rolle zu spielen.

Trotzdem ist es natürlich seitens der Verwaltung methodisch legitim, diese Faktoren für die Planung anzusetzen, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass man auch aufgrund eigener Erfahrungen an diese Orientierungsdaten glaubt, und genau das tun wir nicht.

Zu den Aufwendungen:

Auf der Ausgabenseite bei den ordentlichen Aufwendungen sind von 2015-2018 keine nennenswerten Unplausibilitäten in der Planung zu erkennen. Bei den Personalausgaben steigen die Werte deutlich, sie sind aber unter anderem den Entwicklungen aus überregionalen Tarifverhandlungen geschuldet, die wir nicht beeinflussen können.

Bei den Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen und bei den sonstigen ordentlichen Aufwendungen sinken die Planwerte sogar leicht8.

Die Transferaufwendungen hingegen nehmen zu, und da diese hauptsächlich eine sich rechnerisch ergebende Größe dessen sind, was wir als Umlage für den Kreishaushalt zu zahlen haben, ist dies für uns als Gemeinderat unbeeinflussbar.

Der Kreishaushalt mit seinen Transferaufwendungen wird allerdings maßgeblich von den beiden großen Fraktionen der CDU und der SPD bestimmt9. Aus der Vergangenheit wissen wir von unseren Vertretern der Bürgergemeinschaften im Kreis, dass dort der Wille zum Sparen insbesondere bei den beiden vorgenannten großen Fraktionen sehr begrenzt ist. Zahlreiche Vorschläge der Kreis-BG insbesondere zur Personalverringerung der rund 1.000 Kreisangestellten wurden von den Mehrheitsfraktionen in den vergangenen Jahren abgelehnt.

Insofern möchten wir darum bitten, dass in Zukunft das ständige „mit dem Finger auf Soest zeigen“

wegen der kontinuierlich steigenden Kreisumlage unterbleibt, da dies auch ein Stück weit von Ihnen mitverantwortet wird. Sie haben dort die Hebel in der Hand, Sie müssen sie nur nutzen.

Bezüglich der bilanziellen Abschreibungen möchten wir der Vollständigkeit halber anfügen, dass die neu zu erwartenden Abschreibungen der großen Investitionspositionen wie die Westerhaar mit 1,5 Mio. Euro, die Sekundarschule mit rund 5,5 Mio. Euro, die Renovierung des Bürgerhauses mit 500 T-Euro und einer Reihe von kleineren Positionen gar nicht als Planwerte enthalten sind.

Das möchte ich hier nur schon einmal vorsorglich erwähnen, damit Sie nicht überrascht sind, sollten die Abschreibungswerte dann in drei Jahren deutlich höher sein als heute.

Soviel zu den laufenden Erträgen und Aufwendungen aus der Verwaltungstätigkeit.

Zu den Investitionen:

Bezüglich der Erweiterung des Industriegebietes Westerhaar haben wir unsere grundsätzlich ablehnende Haltung schon früher detaillert und eindeutig dargestellt und auch die Bedingungen genannt, unter denen eine nur teilweise Umsetzung des bisherigen Standes vorstellbar wäre.10

Bezüglich der Investitionen in die Sekundarschule betonen wir unsere kritische Grundhaltung gegenüber dem Gesamtprojekt als Kostenfaktor für den Haushalt. Gleichwohl erkennen wir an, dass die Schulleitung und das Lehrpersonal in den vergangenen drei Jahren einen herausragenden Job gemacht haben und die Schule mit enormen Einsatz und Herzblut vorantreiben. Dieser Einsatz sollte belohnt werden und auch Anerkennung in der Wickeder Elternschaft finden, die eines Tages die Entscheidung bezüglich der weiterführenden Schule für ihre Kinder treffen muss.

Um unserer Verantwortung gegenüber dem Schulprojekt gerecht zu werden, haben wir zu dessen Unterstützung die Erhöhungen bei der Gewerbe- und Grundsteuer mitgetragen.

Diese Entscheidung des Mitragens der Steuererhöhung ist uns so schwer gefallen wie es der SPD offenbar leicht gefallen ist, den Haushalt im vergangenen Jahr und auch in diesem Jahr mit dem Hinweis auf genau diese Steuererhöhungen abzulehnen.

Nun kann man tatsächlich einen Haushalt ablehnen, wenn man gute Gründe dafür hat. Aber die SPD, die in den vergangenen Jahren kaum einen substantiellen Sparvorschlag gemacht hat, hält an einer Begründung fest, die man entweder als mangeldes Fachwissen kennzeichnen muss oder die wir als aggressive Öffentlichkeitsarbeit ansehen.

Aber zurück zu den Investitionen in Sachwerte, denen wir generell gegenüber sehr aufgeschlossen sind, wenn diese für die Gemeinde finanziell vorteilhaft sind oder aber zumindest die Gemeindeentwicklung entscheidend voranbringen.

Wesentlicher zu nennender Punkt ist für uns hier die Entwicklung des Gebietes der Marscheidstrasse. Wie aber bereits in der letzten Haushaltsrede erwähnt, sollten wir zuerst interfraktionell nochmal die bisherigen Vorstellungen zusammenbringen, da unseres Erachtens die Zeit die einstmals in Auftrag gegebenen Gutachten in Hinblick auf eine anzustrebende Bebaungsverdichtung überholt hat.

Bezüglich der Notunterkunft möchten wir anfügen, dass sich die Gemeinde Wickede wahrscheinlich auf einen jahrzehntelangen Dauerzustand wird einrichten müssen. Das Land NRW wird nicht umsonst eine große Millionensumme in dieses Objekt gesteckt haben, um es anschließend nur kurzzeitig nutzen zu wollen.

Von daher müssen wir lernen, mit dieser Einrichtung am Rande Wickedes und dem beständigen Zustrom von Menschen umzugehen. Mir persönlich fällt insbesondere das Zugehen auf Menschen anderer Nationalitäten nicht leicht, und für wen das bereits eine Selbstverständlichkeit ist, der sollte sich vor Überheblichkeit gegenüber denjenigen hüten, für die das ein Problem darstellt.

Generell dürfte es angesichts der rasanten Ausbreitung von Terror und Gewalt keinen Zweifel mehr geben, dass diese Aufnahmeeinrichtungen im Land notwendig sind und auf Jahre hinaus gebraucht werden.

Eine davon steht nun in Wickede, und letztlich wird die von uns angestrengte Klage vermutlich daran nichts mehr ändern. Wichtig sollte es sein, Mitmenschlichkeit gegenüber den Asylsuchenden zu zeigen, offensiver Fremdenfeindlichkeit keinen Raum zu geben, aber als Gemeinde auch auf finanzielle Vergünstigungen als Ausgleich für den Verlust der gemeindlichen Planungshoheit zu pochen.

Denn letztlich ist der Bezug der Notunterkunft zur Haushaltsrede auch der, dass der Haushaltsplan durch die Schlüsselzuweisungen wesentlich getragen wird und überhaupt erst positiv wird.

Ich betone nochmals: Wir halten diese Annahme der Schlüsselzuweisungen für unrealistisch und es zudem für bedenklich, dass der planerische Haushaltsausgleich hauptsächlich durch die Schlüsselzuweisungen für die Notunterkunft gelingt.

Wir möchten an dieser Stelle sagen, dass der Haushaltsplan und dessen langfristige Nachverfolgung dadurch einen vollkommen anderen Stellenwert bekommt.

Wir schlagen den anderen Fraktionen und letztlich auch der SPD vor, dass sich der Rat in einem noch zu definierenden kleinen Kreis über langfristige Zielsetzungen der Gemeindeentwicklung und deren monetäre Bewertung Gedanken macht.

Ein anderer, vielleicht zusätzlicher Weg wäre der von den Grünen seit geraumer Zeit gemachte Vorschlag, die Haushaltsberatungen als interfraktionelle Arbeitsgruppe auszugestalten.

Letztlich geht es für uns darum, uns nicht jedes Jahr davon überraschen zu lassen, was die getroffenen Ratsentscheidungen einerseits und die äußeren Umstände von Zuwendungen oder Transferleistungen andererseits im Gemeindehaushalt bewirken.

Wir lehnen den Haushalt ab, weil er einerseits über nie zu Ende gedachte Maßnahmen wie z.Bsp. die Westerhaarerweiterung das Schuldenvolumen in eine nie gekannte Höhe trägt und weil wir die Darstellung der Ertragsseite für viel zu optimistisch halten, auch wenn sie aus der Planungsmethodik heraus legitim sein mag.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Für die Fraktion der Bürgergemeinschaft (BG) Wickede e.V.

Thomas Schäfer, 12.02.2015

  • Es gilt das gesprochene Wort -

 

1 Eigene Berechnung durch Fortführung der Zahlen im Haushaltsplan, ohne Gewähr, im Haushaltsplan sind Ende 2015 33,3 Mio. Euro veranschlagt, nach 2015 sind weitere Kreditaufnahmen geplant. (Anlage 5 Haushaltsentwurf)

2 Inklusive der Steigerungsfaktoren aus den Orientierungsdaten des Landes NRW von jährlich etwa 3%

3 S. S.224 + S. 226 Haushaltsentwurf 2015

4 S. 141 Haushaltsentwurf; darüberhinaus würde dieser Ansatz ansonsten wie in anderen Gemeinden ohne Notunterkunft ansonsten sogar steigen.

5 H -23 in HSK des Haushaltes 2015

6 Eigene Berechnung

7 Die Berechnung fußt offenbar auf der überhöhten Anzahl der gemeldeten Asylbewerber in Oktober 2014 von über 1000 Personen.

8 Siehe auch Grafiken am Ende des Textes

9 Wahl 2014 : CDU 29 / SPD 19 / Grüne 5 / BG 4 /FDP 3/ Linke 2 /AFD 2 / SO 1 /Piraten 1

10 Siehe Haushaltsrede vom 18.03.2014